Dank dem undankbaren Aschenputtel
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Nachdem Aschenputtel ihren Prinzen geheiratet hatte, merkte es bald, dass seine Schönheit nicht reichte, um sich auf Augenhöhe mit ihm zu fühlen. Er hatte ihm den Hof gemacht, es erobert, es vergöttert und ihm ein hübsches Bett in einem goldenen Palast hergerichtet. Was sollte es noch mehr wollen? Der Himmel auf Erden war sein neues Leben.
Eines Tages aber fand sie, dass sie kein «es» war, dass das Leben noch mehr für sie bereit halten müsste. Sie wollte ihrem Prinzen, der bald König sein würde, helfen, das Land zu gestalten, und dem Volk, den Bauern, den Bediensteten, dem Adel und ihren Gästen am Hof eine gute und wirkende Kraft sein. Doch was war passiert? Der Prinz und seine Vertrauten wollten ihre gestaltenden Hände nicht, ihren gescheiten Geist nicht, er wollte nur das schöne, gefällige Mädchen an seiner Seite. Lächeln sollte es, nicht denken, schweigen sollte es, nicht reden, ihm Kinder schenken, und das Lenken der Welt ihm ganz allein überlassen …
Aschenputtel war es, als erwache sie aus einem bösen Märchen. Wieso sollte sie für immer in dieser Geschichte, verfasst von den Gebrüdern Grimm, gefangen bleiben? Als Opfer und Gerettete, als ewig Dankbare? Dankbar wofür eigentlich? Sie stand auf, nahm Pfeil und Bogen, die ihr einst eine Eule gebracht hatte. Sie rottete die Dienstmädchen zusammen, und auch ein paar Knechte, sie holte das Gesinde vom Gut der bösen Stiefmutter. War sie eigentlich böse, weil die Erzähler auch nur Heilige und Huren in der Welt der Frauen kannten? Warum sonst mussten Stiefmütter in Geschichten immer böse sein, Stiefväter hingegen (existierten) nicht?
Mit ihrer Gefolgschaft kehrte sie zurück zum Königshof und sagte dem Prinzen, sie habe ihr bezauberndes Lächeln für eine Weile in einer Schatzkiste versorgt. Erst, wenn er sie als ebenbürtige Partnerin am Hofe anerkenne, würde sie die Schatzkiste öffnen und ihr Lächeln herausholen…
Es sollte ein Jahrzehnte langer Überzeugungskampf werden. Vieles versprach der Prinz auf halber Strecke, krank vor Sehnsucht nach dem bezaubernden Lächeln… um seine Versprechen sodann wieder zu vergessen. Aschenputtel kämpfte und kämpfte, mit ihr die Gefolgschaft, die sich davon eine gerechtere Welt versprach. Ihr Kampf war nicht umsonst, vieles verbesserte sich im Laufe der Zeit, langsam, aber stetig. Doch am Ziel sollte sie noch lange nicht sein. Und das Lächeln? Hin und wieder öffnete sie die Schatzkiste, holte es heraus, zeigte es der Welt und ihrem Prinzen, immer dann, wenn sie einen kleinen Schritt für sich und ihre Gefolgschaft weitergekommen war, wenn sie stolz auf ihren Gemahl war, weil er sie mehr und mehr respektierte. Noch bleibt es jedoch meist gut aufbewahrt in der Schatzkiste, darauf wartend, endlich für immer die Welt zu erfreuen.
September 2018
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