Freiwilligkeit reicht nicht
Gerade das aktuelle Beispiel mit dem Lonza-Konzern, der seit Jahren wissentlich klimaschädliches Gas in exorbitanten Mengen in die Luft lässt, zeige, dass Freiwilligkeit nicht reicht, wenn es um Verantwortung geht, schreibt Karin Landolt. Deshalb brauche es die Konzernverantwortungsinitiative. Die vielen Unternehmen, die heute schon sorgfältig arbeiteten, könnten davon nur profitieren.
Es gibt keinen Konzern, der willentlich und mit böser Absicht Menschenrechte oder Umweltgesetze mit Füssen tritt. Zumindest wäre dies eine grobe Unterstellung und auf diesem Niveau muss auch nicht diskutiert werden, denn es geht nicht um die Kriminalisierung der Wirtschaft.
Es geht um Situationen, vor denen wir Kundinnen, Investoren, Zulieferer, Aktionärinnen, Mitarbeiter oder Unternehmerinnen lieber die Augen verschliessen, da uns ein Schnäppchen, ein Gewinn, ein Erfolg, ein Bonus entgehen könnte. Sonst müssten Leiharbeiter im nordwestindischen Bundesstaat Chhattisgarh und die dortige Bevölkerung nicht jahrelang gegen Enteignung durch die mächtige Industrie kämpfen. Nur dank einer Beschwerde bei der OECD hat sich der dort produzierende Zementkonzern LafargeHolcim zum Dialog bewegen lassen. Lonza lässt seit Jahren aus seinem Werk in Visp eine exorbitant hohe Konzentration des klimaschädlichen Lachgases in die Atmosphäre ausströmen – vergleichbar mit der Menge der gesamten Schweizer Verkehrsabgase. Gehandelt wird erst, wenn sich der Bund an der Behebung der Katastrophe finanziell beteiligt. Nestlé besitzt im US-Staat Michigan die Rechte für Grundwasser, ohne sich an vereinbarte Leistungen zugunsten der Bevölkerung zu halten, andere Interessen scheinen wichtiger zu sein. Wir alle wissen von gesundheitsschädigenden Abbaumethoden durch in der Schweiz ansässige Rohstoffkonzerne, welche in fernen Ländern die lokale Bevölkerung und die Umwelt trotz jahrelanger Kämpfe ertragen, damit bei uns die neuesten Handys und die besten Technologien auf dem Markt landen.
Schutz für vorbildliche Unternehmen
Es gibt sie natürlich, Unternehmen, die nicht auf dem Blut der Entrechteten ihren Erfolg aufbauen. Es ist die grosse Mehrheit – so meine und hoffe ich – die ihre Wertschöpfungskette auf allfällige Ungereimtheiten prüft und hellhörig wird, wenn der Preis im Vergleich zur Leistung in krassem Missverhältnis steht.
Neben der Verbesserung der betroffenen Arbeiter, Kinder oder Regionen, denen mit der Konzernverantwortungsinitiative eine juristische Handhabe gereicht wird, profitieren also all jene Unternehmen, die bisher ihre Corporate Responsibility nicht alleine als Imagefaktor betrachten. Es profitiert eine Schweiz, die auf der humanitären Tradition weiterbauend als wegweisende Volkswirtschaft auftreten kann, und einer modernen globalen Wirtschaft die nachhaltige und faire Richtung zeigt. Oder soll die Schweiz hinterherhinken und irgendwann die schärferen Gesetze, die andere europäische Länder anstreben, im Zugzwang übernehmen müssen? Nein, solche Szenarien haben wir noch nie gemocht.
Es geht um Signalwirkung
Gegen ein Schweizer Unternehmen zu klagen wird auch mit der Annahme der Initiative schwierig, die Hürden dafür sind enorm hoch. Es wird keine Flut von Klagen gegen die Schweiz geben. Aber allein die geschaffene Möglichkeit dafür wird Konzerne dazu bewegen, handfeste Kontrollmechanismen einzurichten, sodass es gar nicht erst zu Menschenrechtsverstössen und Umweltschäden durch Ignoranz kommt. Ignoranz bleibt solange auf dem Tapet, solange es keine juristische Handhabe gibt.
Wie schön wäre es, wenn es freiwillig funktionieren würde.
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