Frauen in Chefetagen bereichern und «stören»

Quotenfrage Firmen, die keine Frauenquoten einführen und keine Quotenfrauen einstellen wollen, sollten ihre Strukturen hinterfragen.

Die Recherche des «Landboten» letzte Woche bei den grössten lokalen Arbeitgebern brachte Ernüchterndes zutage: Der Anteil der Frauen in den obersten Chefetagen liegt zurzeit bei 7,4 Prozent. Im schweizweiten Vergleich mit mageren 9 Prozent steht Winterthur sogar noch schlechter da.

Das Problem ist offensichtlich und unbestritten. Der Wille, etwas zu verbessern, scheint aber nicht gross. Wirtschaftskreise lehnen die Quotenregelung ab mit dem – auch von Frauen unterstützten – Argument, dass keine Frau eine «Quotenfrau» sein wolle. Oder dass sich trotz Bemühungen keine Frauen finden liessen.

Damit ist das Thema aber nicht erledigt. Im Gegenteil. Firmen müssten sich ernsthaft sorgen, warum sich die Lage nicht bessert. Die Frage lautet: Warum nur funktioniert die Rekrutierung von Frauen in der Führungsetage einfach nicht? Gewiss ist das unzureichende Kinderbetreuungsangebot mitverantwortlich, dass Frauen hoch dotierte und zeitintensive Jobangebote ablehnen. Und junge Väter, die bei der Betreuungsarbeit anpacken, sind noch in der Minderheit. Doch es wächst hier immerhin ein Bewusstsein, die Lage könnte sich bald entschärfen.

Nicht so in mancher Chefetage, wo männlich geprägte Spielregeln tief verankert sind, vom hierarchiebetonten Auftreten über den mangelnden Willen, Macht zu teilen, bis zur ritualisierten Kumpanei. Tatsächlich, wer Frauen in die Führungsriege einlädt, läuft Gefahr, dass diese Kultur hinterfragt wird, weil Frauen unter Gestaltung und Mitsprache möglicherweise etwas anderes verstehen. Bisherige Spielregeln könnten umgestossen werden – unter anderem auch reflexartig abwertende Kommentare über ungewohnte Ideen der Kollegin. Und wenn es die einzige Alibifrau im Betrieb nicht schafft, etwas Diversität hineinzubringen, nimmt sie bald ihren Hut, oder sie verstummt als chronisch Unterlegene und einsame Ruferin in der Wüste.

Der weibliche Führungsstil ist nicht besser, er ist anders. Dass es dafür das nötige Gehör braucht, ist in manchen Chefetagen noch nicht angekommen. Wer in der weiblichen Führungsstärke einen Störfaktor oder eine Gefahr sieht, vergisst die höheren Interessen, etwa die Beweglichkeit und die Zukunftstauglichkeit des eigenen Unternehmens. «Ein anderer Wind» heisst in der Regel «frischer Wind» – Frischluft, die sich auf das ganze Unternehmen meist positiv auswirkt. Dies zu erkennen, setzt Offenheit gegenüber anderen Denkansätzen voraus. Es erfordert die Bereitschaft, Macht zu teilen.

Es gibt Unternehmer und Manager, die das begriffen haben, die einer Frau im Zweifelsfall gerne eine noch nicht bewiesene Kompetenz zutrauen – wie es unter manchen Männern üblich ist –, statt sie ihr präventiv abzusprechen. Leider sind auch sie noch in der Minderheit.

Wer verstanden hat, dass Diversität in der Führungsriege wichtig ist für den – wissenschaftlich belegten – Erfolg eines Unternehmens und dennoch nicht fündig wurde bei der Besetzung eines Topjobs, sollte es mit neuen Strategien und Entschlossenheit versuchen. Könnte es sein, dass das bisherige Rekrutierungsverfahren nichts taugt? Nicht mehr ganz neue Studien zeigen, dass viele Frauen sich trotz gleicher Qualifikation weniger zutrauen als Männer und sich an den Netzwerkanlässen und in Bewerbungsverfahren weniger vordrängen. Unternehmen müssen sie aktiv suchen, sie vielleicht zwei- oder sogar dreimal bitten, um ihnen klarzumachen, dass sie in der Teppichetage erwünscht sind. Falls sie es denn sind.

Eine Geschäftsleitung, die sich diesen Effort nicht leisten will, setzt sich zu Recht dem Verdacht aus, an einer Veränderung wenig interessiert zu sein. Hier kann nur die Frauenquote zum Umdenken verhelfen. Die Frauen wären in einem solchen Fall gefordert und sollten sich vom Attribut «Quotenfrau» nicht abschrecken lassen, denn sie haben die Gelegenheit, der Führung das Gegenteil zu beweisen, auch wenn sie hier und da «stören» mögen.




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