Nicht das Ende des Lokaljournalismus

Vom einst stolzen Tagblatt von Winterthur, dem Landboten, scheint nur noch ein Schatten seiner selbst übrig zu sein. Der gewinnorientierte Mutterkonzern TX, der die Tamedia-Publikationen herausgibt, hat den Sparhebel – einmal mehr – angesetzt. Die Lokalredaktion hat scheinbar jegliche Motivation verloren, hinkt den Stories nur noch hinterher, anstatt sie aufzudecken. Aus dem Mutterhaus hört man etwas von «Qualitätsjournalismus». Qualitätsjournalismus heisst aber nicht nur investigative Recherche, die in den Tamedia-Blättern zu nationalen Themen durchaus zu finden sind. Qualitätsjournalismus heisst auch Berichterstattung vor der Haustüre, über den Missstand in der Schulleitung unserer Kinder, über das Gemauschel im Stadtparlament, das wir mitgewählt haben, über zu hohe Gebühren, welche der Sportverein einstreicht. Stattdessen werden Katzen, die Haitianische Migranten in den USA essen, wie ein unverschämter künftiger US-Präsident behauptet, als Breaking-News tausendfach wiedergekäut (sic). Im ersten Fall braucht es eine engagierte Redaktion, die es wagt, den Meinungsführerinnen auf die Finger zu schauen, beim zweiten reicht ein unreflektiertes Copy Paste aus der Crowd, was die eigene Publikation letztlich überflüssig macht. Ersteres trägt zur Meinungsbildung bei, zweiteres zur Frontenbildung aufgrund fehlender relevanter und differenzierter Informationen und letztlich zu extremen politischen Lagern. Beispiele dafür gibt es in Ostdeutschland, wo ganze Landstriche ohne überprüfte Berichterstattung auskommen müssen. Journalismus ist kein einfacher Markt. Aber es braucht kein Wirtschaftsstudium, um zu begreifen, dass diese Spar-Strategie keinen Gewinn bringt.

Ein «So nicht!», das Hoffnung macht
In Winterthur, wo ich wohne, und auch mal mit Herzblut in der Landbote-Redaktion mitgearbeitet habe, ging also ein lautes Geraune durch die Gesellschaft, als Tamedia die Schwächung der einzigen Bezahl-Zeitung der sechstgrössten Schweizer Stadt ankündigte. Und es fand sich eine ansehnliche Gruppe aus Bürgerinnen, Journalisten, interessierten Leserinnen und Stiftungsvertretern, die den unabhängigen Journalismus vor Ort retten wollen. Nach dem Motto: Jede Stadt hat die Zeitung, die sie verdient, kamen also Menschen in die Gänge, die nicht tatenlos zuschauen wollen, wie die – ernst zu nehmende – lokale Berichterstattung vor die Hunde (oder eher gefressenen Katzen?) geht. Gut so. Ergebnis: offen. Aber es gibt Hoffnung.

Vor mir schwebt ein Bild, das für manch eine vielleicht an den Haaren herbeigezogen scheint, ich will es trotzdem mit Ihnen teilen, zumal auch hier Donald Trump eine – vielleicht zur Abwechslung mal positiv-inspirierende – Rolle spielt: Seit er polterte, die USA als bisher zuverlässigen Nato-Partner aus dem Spiel nehmen zu wollen, muss Europa endlich selbst zu Stärke finden und verlorengegangenes Selbstbewusstsein als bedeutender Player aufbauen. Ähnlich geht es Winterthur bezüglich des unabhängigen Lokaljournalismus, nachdem Tamedia sich aus der Verantwortung gezogen hat. Wir müssen das Heft in die Hand nehmen und eine Lösung etablieren, die den Namen «unabhängigen Lokaljournalismus» verdient hat. Dieser Gedanke macht mich zuversichtlich.




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